Nach dem Regierenden Bürgermeister spricht sich auch seine wahrscheinliche Nachfolgerin für eine Impfpflicht aus. Auch aus dem Deutschen Ethikrat kommt inzwischen Unterstützung. Kritik kommt aus den Reihen der Berliner Opposition.
Andreas Lob-Hüdepohl, Mitglied des Deutschen Ethikrats, plädiert für eine allgemeine, verbindliche, gesetzliche Impfpflicht. Das sagte er am Mittwochabend in der rbb-Fernsehsendung “Brandenburg aktuell”.
Lob-Hüdepohl war Anfang des Jahres noch gegen eine solche Pflicht. Da sei die Sachlage aber noch eine andere gewesen, sagte der Sozialethiker nun. Damals habe man eine Durchimpfungsrate von 60 bis 70 Prozent für notwendig gehalten. Durch die aggressiver gewordenen Virusvarianten sei nun aber eine Rate von 90 Prozent nötig, um die Pandemie einzugrenzen, erklärte Lob-Hüdepohl. Durch reine Aufklärungsarbeit und moralische Impfaufrufe komme man da bedauerlicherweise nicht mehr weiter. Deshalb müsse die Impfpflicht kommen.
Kurzfristig solle die bereichsspezifische Impfpflicht direkt eingeführt werden. Da gehe es um alle Bereiche, in denen Beschäftigte es mit besonders vulnerablen Gruppen zu tun hätten, sagte er am Mittwochabend im rbb. Als Beispiel nannte Lob-Hüdepohl Pflegeeinrichtungen und Kliniken.
Giffey: Impfpflicht als letztes Mittel
Die Berliner Politik ist bei der Frage um die allgemeine Impfpflicht bislang gespalten. Für Berlins voraussichtlich künftige Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) ist die Maßnahme eine Option im Kampf gegen die Pandemie. Die Impfpflicht könne jedoch nur das letzte Mittel sein, schrieb sie am Mittwoch auf Twitter. Dennoch: “Wenn sich die Lage weiter zuspitzt, werden wir diesen Weg gehen müssen.”
Grüne äußern sich zurückhaltend
Der noch amtierende Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte am Dienstag in der Abendschau des rbb gesagt, man werde um eine allgemeine Impfpflicht nicht herumkommen.
Die Grünen als Koalitionspartner bleiben zurückhaltender. Fraktionschefin Silke Gebel verwies im Gespräch mit dem rbb auf den Bund, der für eine solche Impfpflicht zuständig sei: “Wenn der Bund entscheidet, dass es nur mit der Impfpflicht geht, dann werden wir das im Land Berlin umsetzen.” Darauf müsse man sich gut vorbereiten.
Ihr sei jedoch wichtig, weiter aufzuklären und im Kampf gegen Corona “alle Instrumente zu nutzen”. Das wichtigste Ziel müsse zunächst sein, im Bereich der Pflege und der Krankenhäuser eine Impfquote von 100 Prozent zu erreichen, da es dort um besonders gefährdete Gruppen gehe.
Opposition eher ablehnend
In der Opposition im Abgeordnetenhaus werden unterschiedliche Stimmen laut. Für die Berliner CDU ist eine allgemeine Impfpflicht grundsätzlich denkbar, FDP und AfD lehnen sie ab. CDU-Fraktionschef Wegner plädiert in einem schriftlichen Statement dafür, zunächst die Impfkapazitäten auszubauen und noch entschlossener für die Impfung zu werben. Wegner stellt aber klar: “Wenn die Zahl der Impfverweigerer zu groß bleibt, könnte am Ende eine allgemeine Impfpflicht stehen, um Corona endgültig zu besiegen.”
Anders reagiert die Berliner FDP. Eine hohe Impfquote sei zwar der Weg aus der Pandemie, aber “die Debatte über eine Impfpflicht ist keine Lösung für die akuten Herausforderungen”, teilte der Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja mit. Eine Impfpflicht müsse auch mit einer Impfgarantie einhergehen, dies sei aufgrund des Impfstoffmangels aktuell nicht möglich. Außerdem könne eine Impfpflicht erst mit größerer zeitlicher Verzögerung wirken.
Die AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus positioniert sich klar ablehnend. Die AfD betrachte die Freiheit, sich gegen die Impfung zu entscheiden, genauso wichtig wie die Freiheit, sich für die Impfung zu entscheiden, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Frank-Christian Hansel, dem rbb. Die Freiheit für die Impfung “wird manchmal von unserer Partei etwas unterbetont”, räumte er ein.
Sendung: Inforadio, 24.11.2021, 17:40 Uhr
Quelle: 24.11.2021, Inforadio, Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB)
https://www.rbb24.de/politik/thema/corona/beitraege/2021/11/debatte-allgemeine-impfpflicht-ethikrat-politiker-berlin.html